Der Anstoß kam von außen. 2005 richtete ein ehemaliger Schüler der Mittelschule Werder, die er in den 1930er-Jahren besucht hatte, aus Berlin einen Brief an die Stadtverwaltung Werder. Er hatte in Erfahrung gebracht, dass sein ehemaliger Mitschüler Hans–Peter Olschowski wie auch dessen Mutter Opfer des Holocaust geworden seien und regte an, für diese beiden Werderaner Bürger sog. »Stolpersteine« zu verlegen.. Der Brief setzte, wie aus Randnotizen zu entnehmen ist, ansatzweise Recherchen zum Schicksal der Familie Olschowski in Gang, die jedoch ergebnislos verliefen. Erst als der Brief nach Zwischenstationen 2009 beim »Werderaner Bündnis für Kulturaustausch, gegen Rassismus und Gewalt« (KURAGE) auftauchte, begann eine aufwendige und zeitintensive Suche in diversen Archiven, die zur weitgehenden Aufklärung dieses Familienschicksals führte. Der einschlägige Beitrag im Werderaner Gedenkbuch »Jüdische Schicksale« mag dies illustrieren.
Eine Erkenntnis aus diesen Recherchen war, dass die Familie Olschowski kaum die einzige jüdische Familie Werders gewesen sein konnte, die in Werder ein Verfolgungsschicksal erlitten hatte. Die Schicksale der ehemaligen jüdischen Mitbürger waren jedoch bis dahin ein weitgehend unbekannter und unerforschter Bereich der Stadtgeschichte.
Im November 2011 fanden sich acht interessierte Werderaner Bürgerinnen und Bürger, die sich dieses Themas annehmen wollten. Im Laufe weniger Monate gelangt es der Gruppe , durch die Auswertung verschiedenster Quellen eine Liste mit weit über 100 Namen ehemaliger jüdischer Einwohner zusammenzustellen, deren Schicksale auf recht unterschiedliche Weise mit der Stadt Werder (Havel)und ihren heutigen Ortsteilen verbunden waren.
Ziel der Arbeit war von vornherein ein doppeltes: zum einen sollten die Grundlagen für die Verlegung von »Stolpersteinen« auch in Werder und Glindow geschaffen werden, zum anderen ein »Gedenkbuch« entstehen, das die Schicksale der ermordeten oder in die Emigration getriebenen jüdischen Bürgerinnen und Bürger so weit wie irgend möglich rekonstruiert und dokumentiert. Deutlich werden sollte so aber auch, welche menschlichen, sozialen, aber auch wirtschaftlichen Einbußen selbst eine Kleinstadt wie Werder durch den Verlust ihrer jüdischen Mitbürger erlitten hat.
Die Arbeit an den Recherchen zu den Schicksalen wurde mehrmals über Monate gehemmt oder gar aufgehalten, 2014 durch eine langwierige Auseinandersetzung mit KURAGE und dem Künstler Gunter Demning über die Modalitäten der Stolpersteinverlegung. Stolpersteine sollten nunmehr auch für Emigrierte und Überlebende verlegt werden, wogegen sich die Gruppe auf Grund ihrer Rechercheergebnisse entschieden wehrte. Von August 2015 bis April 2016 war das Brandenburgische Landeshauptarchiv mit seinen für die Arbeit der Gruppe unentbehrlichen Quellenbeständen wegen Umzugs geschlossen und 2016 schließlich, mit einem druckfertigen Typoskript in den Händen, dauerte es mehrere Monate, bis es uns gelang, die Finanzierung der Drucklegung sicherzustellen.
Im Dezember 2016 jedoch konnte, nach nunmehr fünfjähriger Arbeit an diesem Projekt, das Gedenkbuch einer interessierten Stadtöffentlichkeit vorgestellt werden. Auf Initiative der Stadt und gefördert durch sie ist es auch in Mehrfachexemplaren den Werderaner Schulen zur Verfügung gestellt worden. Möge es künftig hin das Gedenken an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wachhalten.