Matilde Kneisl, geb. Mautner, geb. 23.1.1868 in Prag, lebte von 1927 bis Dezember 1938 in Werder, verst. am 24.6.1942 in Prag.
Adresse in Werder: Kemnitzer Chaussee 190
Mathilde Kneisl war die Tochter eines tschechischen Vaters und einer deutschen Mutter. Sie besuchte in Prag eine deutsche Schule. Von Beruf Modistin, heiratete sie im Jahr 1892 Josef Kneisl, von dem sie später geschieden wurde. Im Jahr 1927 zog sie nach Werder und wohnte hier bis Dezember 1938 zusammen mit Berta Mautner und deren Nichte Rosa Kraus. Sie blieb aber tschechoslowakische Staatsbürgerin.
Im Dezember 1938 versucht sie, nach Prag zu ziehen, da sie nicht mehr wusste, wovon sie in Deutschland leben sollte. Zunächst wird sie an der Grenze abgefangen und zurückgeschickt. Sie wurde nämlich nach der Heimatgemeinde ihres geschiedenen Ehemannes eingruppiert, der aus dem Kreis Komotau im Sudetenland stammte. Somit hatte sie mit der Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich im Oktober 1938 (» Münchner Abkommen«) ihre tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren und war »Reichsangehörige« geworden. Letztlich gelingt ihr aber, nach Prag zu ziehen, das zu dieser Zeit Hauptstadt der Zweiten Tschechoslowakischen Republik (sog. »Rest–Tschechei«) war. Sie zieht wieder in die Wohnung ein, die sie 1927 verlassen hatte, und erhält Heimatrecht in Prag, mit der Versicherung, finanziell niemandem zur Last zu fallen. Sie schreibt, sei alt und wolle bis zu ihrem Lebensende in der Tschechoslowakei bleiben.
Kurz danach wird die »Rest–Tschechei« vom Deutschen Reich annektiert und als » Protektorat Böhmen und Mähren« dem Großdeutschen Reich eingegliedert. Im März 1941 wird Matilde Kneisl von der Polizei überprüft. Die tschechische Polizei bescheinigt ihr, dass sie keine »politische Emigrantin« sei, sondern Deutschland aus »Familien– und Rassegründen« verlassen habe. Kurz danach wird als ihr Wohnsitz die »Notbaracke Nr. 14« in Prag genannt, offenbar eine Invalidenstation. Dort wird am 24.6.1942 der »plötzliche« Tod der 73–jährigen festgestellt. Zu dieser Zeit waren die Deportationen der Prager Juden in vollem Gange. Auf dem Obduktionsbericht wird als Todesursache »Dickdarmkrebs« angegeben. Ob Matilde Kneisls Rückkehr nach Prag eine Folge der Pogromnacht in Werder war, ist nicht sicher, aber angesichts des Zeitpunktes ihres Wegzuges wahrscheinlich.
Quellen: BArch: R 1509 Ergänzungskarte VZ 1939; Národni archiv (Staatsarchiv) Prag, Polizeiarchiv Prag; SAP: Adressbücher Werder.