Fritz Hartmann, geb. 5.4.1890 in Posen (heute Poznań, PL), emigrierte im November 1938 nach Frankreich, verstorben am 28.6.1940 im Internierungslager Les Milles/Département Bouches du Rhône.
Adresse in Werder: Am Plessower See 35–39
Fritz Hartmann gründete gemeinsam mit einem Geschäftspartner kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin das Einrichtungshaus Jordan & Hartmann, das sich innerhalb weniger Jahre zu einem der führenden Häuser der Branche entwickelte (»Werkstätten und Atelier für den Ausbau eleganter Wohnungen, Decorationen, Moderne Kunst, Antiquitäten, Stoffe, Gobelins, Beleuchtungskörper«). Es hatte seinen Sitz zunächst am Kurfürstendamm 33, später verlegt nach Nr. 46. Auch einige seiner Brüder und seine Schwester Lucia waren an der Firma beteiligt.
Fritz Hartmann erwirbt im April/Mai 1923 zwei Grundstücke in Werder, am Schwalbenberg 74 und Am Plessower See 35–39, letzteres war mit einem Wohnhaus bebaut, das seitdem regelmäßig von ihm und seinen Brüdern als Wochenend– und Sommerwohnsitz genutzt wird. Auch dieses Haus wird beim Novemberpogrom 1938 verwüstet, die anwesenden Brüder fühlten sich physisch bedroht und versteckten sich am Seeufer. Noch im November 1938 emigrierte Fritz Hartmann nach Nizza, wurde nach Kriegsausbruch im September 1939 als »feindlicher Ausländer« verhaftet und im Lager Les Milles (Aix–en–Provence, Département Bouches du Rhône) interniert, wo er am 28.6.1940 verstarb.
Unmittelbar nach der Emigration Fritz Hartmanns begann sich die Stadt für das attraktive Grundstück zu interessieren und erwarb es im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens noch im Jahre 1940.
Fritz Hartmann hatte vier Brüder, Sigismund (geb. 1886), Georg (geb. 1887), Erich (geb. 1894) und Kurt (geb. 1897) und eine Schwester Lucia (geb. 1885). Sigismund, Georg, Erich und Lucia Hartmann emigrierten 1938/39 nach Frankreich. Sigismund und Erich Hartmann wurden im August / September 1942 verhaftet und über das berüchtigte Sammellager Drancy (bei Paris) nach Auschwitz deportiert, wo sie umgekommen sind. Georg und Lucia Hartmann widerfuhr dasselbe Schicksal im April 1944, auch sie sind in Auschwitz umgekommen.
Von den sechs Geschwistern hat nur Kurt Hartmann die Verfolgung überlebt. Ihm gelang 1938 die Emigration über England und Kanada nach Australien, wo er schließlich im Melbourner Stadtteil St. Kilda ein Cafe eröffnete. Seine Ehefrau Margarete berichtet, als er nach dem Krieg versucht habe, Kontakt zu seinen Geschwistern aufzunehmen und erfahren habe, dass sie alle umgebracht worden seien, sei er krank geworden; »er konnte über den Todesfall seiner Brüder nicht hinwegkommen«. Er starb mit 52 Jahren am 1.8.1950 an einer Herzerkrankung und wurde auf dem Melbourne General Cemetry begraben.
Quellen: BArch: Gedenkbuch […]; BLHA: Rep. 36 A (II), Nr. 13914 (zu Sigismund Hartmann), GA Werder Bd. 13, Bl. 860 und Bd. 17, Bl. 1028; BEG–Akte Kurt Hartmann Nr. 331.936; SAW: Schadensakte Hartmann v. 28.1.1939; Aussagen einer Zeitzeugin 1955 und 1966; Lion Feuchtwanger, Der Teufel in Frankreich (über das Internierungslager Les Milles).