Max Jacob, geb. 21.11.1876 in Preußisch Holland / Ostpr. (heute Pasłęk, PL), seit 1909/10 in Werder ansässig, deportiert am 14.4.1942 in das Getto von Warschau, von dort im Juli 1942 nach Treblinka, dort ermordet.
Elsbeth (auch: Else) Jacob, geb. Cohn, geb. 30.6.1882 in Berlin, verstorben am 13.9.1941 im Jüdischen Krankenhaus Berlin, beerdigt auf dem Jüdischen Friedhof Berlin–Weißensee.
Käte Jacob, geb. 5.5.1909 in Jüterbog, deportiert am 12.1.1943 nach Auschwitz, dort ermordet.
Hans Jacob, geb. 10.10.1910 in Werder, genaues Schicksal ungeklärt. Eine seit September 1939 betriebene Auswanderung nach Palästina ist gescheitert; Hans Jacob hat nicht überlebt.
Kurt Jacob, geb. 15.1.1912 in Werder, deportiert am 4.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet.
Frieda Jacob, geb. Grüneberg, geb. 21.10.1919 in Krojanke / Westpreußen, verheiratet mit Kurt Jacob, deportiert am 1.3.1943 nach Auschwitz, dort ermordet.
Adresse in Werder: Torstraße 3
Max Jacob war in erster Ehe verheiratet mit Paula Jacob (1), geb. Lewinski, geb. am 3.1.1886 in Saalfeld. Das Ehepaar lebte bis 1909/1910 in Jüterbog im Fläming, wo am 5.5.1909 das älteste Kind Käte geboren wurde. Kurz danach muss die Familie nach Werder gezogen sein, wo Hans als zweites Kind am 10.10.1910 geboren wurde, und Kurt als drittes Kind am 15.1.1912.
Eine Annonce aus dem Jahr 1913 belegt, dass Max Jacob zu dieser Zeit Inhaber des Warenhauses Emil Bergel war, das sich heute in der Torstraße 10 – ehemals Hausnummer 182 befindet – das heutige Eiscafé Isola Bella.
Paula Jacob verstarb am 30.12.1912 in Werder, ihr Grabstein befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Weissenssee.
Am 25.5.1915 heiratete Max Jacob ein zweites Mal, und zwar in (Berlin-) Charlottenburg Else Jacob, geb. Cohn, geb. 30.6.1882 in Berlin. Die Kinder wachsen in Werder bei der Stiefmutter auf.(2)
Am ersten Weltkrieg hat Max Jacob seit 1916 als Eisenbahnpionier teilgenommen.
1926 kauft Max Jacob das Haus Torstraße 185 (heute Nr. 3) auf der Insel von der » Havel–Obstbau–Wirtschaftsgenossenschaft Werder E. G. m. b. H«, die es seit 1919 besessen hatte, und betreibt dort das ‚Kaufhaus Jacob‘ (heute Café Jacob).
Entsprechend den vorliegenden Adressbüchern wohnte die Familie Jacob bis 1931 noch im Bergel’schen Haus. Wie lange Max dort noch die Geschäfte führte, ist nicht bekannt.
Das Geschäft bestand mindestens bis Ende 1938, als es in dem Novemberpogrom verwüstet wurde. Kurz danach hat Max Jacob sein Geschäft nach dem Verbot der Geschäftstätigkeit von Juden wohl aufgeben müssen; bereits im Februar 1939 stellt ein Werderaner Kaufmann beim Bürgermeister den »Antrag auf Genehmigung zur Übernahme der Geschäftsräume des Juden Max Jacob«. Der Plan, das Haus als Polizeiwache umzubauen, wie eine im Stadtarchiv Werder erhaltene Bauzeichnung vom 5.6.1941 dokumentiert, wurde offensichtlich nicht weiterverfolgt.
Am 13.9.1941 stirbt Else Jacob, Max Jacobs zweite Ehefrau, im Jüdischen Krankenhaus. Sie wird am 17.9. auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beerdigt. Wenige Tage später, am 24.9.1941, muss Max Jacob das Haus in der Torstraße einem neuen Besitzer aus Dahlwitz–Hoppegarten zwangsweise verkaufen. Er wird im Kaufvertrag als »der frühere Kaufmann Max Israel Jacob« bezeichnet. Der Käufer musste im Kaufvertrag versichern, »dass er im Sinne der Nürnberger Gesetze Arier sei«. Max Jacob wird das Recht eingeräumt, in den »jetzt von ihm und seiner Familie innegehaltenen Räumen« zu verbleiben, und zwar einer »einfenstrigen Stube nebst Küche im Obergeschoß (und) einer Diele und einer Kammer im Zwischengeschoß […]«, und es wird ihm das Recht eingeräumt, das Bad mitzubenutzen. Diese Nutzung sollte spätestens am 1. Oktober 1946 enden. Das deutet darauf hin, dass Max Jacob nicht die Absicht hatte zu emigrieren bzw. dazu keine Möglichkeit sah.
Alle drei Kinder haben vergeblich versucht zu emigrieren. Aus Dokumenten in der Akte des Oberfinanzpräsidenten zur Familie Jacob geht hervor, dass Hans Jacob seit September 1939 seine Ausreise nach Palästina betrieben hat. Hans hatte von Mai 1929 bis Dezember 1934 an der Berliner Universität ein Lehrerstudium in den Fächern Mathematik und Physik absolviert, konnte diesen Beruf aber offensichtlich nicht ausüben. Er hatte bereits die Zusage für ein Stipendium des »Palästina-Amtes« und die Erlaubnis erwirkt, Umzugsgut mitzunehmen. Trotz intensiver Nachforschungen in deutschen und israelischen Archiven ist es nicht gelungen, festzustellen, ob er dort jemals angekommen ist. Schwerer wiegt, dass sein Cousin Heinz, Sohn seines Onkels Julius, der 1935 nach Palästina ausgewandert ist, offensichtlich nichts von einer Ankunft von Hans in Palästina wusste.
Aus Meldungen des Finanzamts Beelitz an die Gestapoleitstelle Potsdam vom September 1940 geht hervor, dass auch Käte Jacob, die älteste der Geschwister, beabsichtigte, nach England zu emigrieren. Kurt Jacob, der jüngste, wollte in die USA emigrieren. Offensichtlich ist es beiden nicht mehr gelungen, die erforderlichen Einreisepapiere zu bekommen. Käte Jacob hat seit 1939/1940 und bis zu ihrer Deportation im Januar 1943 bei Siemens & Halske im Wernerwerk F V, Berlin–Jungfernheide gearbeitet, wahrscheinlich von Beginn an in einem Zwangsarbeitsverhältnis im »geschlossenen Arbeitseinsatz«. In dieser Zeit wohnte sie zur Untermiete bei dem Bruder ihres Vaters, Leo Jacob, in Berlin-Charlottenburg. Käte Jacob wurde mit dem besonders umfangreichen 26. Osttransport (1196 Personen) am 12.1.1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert und offenbar sofort nach der Ankunft ermordet. Zwischen dem 20.2. und 15.3.1943 verbucht die Oberfinanzkasse Berlin als Hinterlassenschaft von Käte Jacob: 17 RM als ausstehenden Lohn von Siemens, 27,61 RM von der GASAG und 576 RM als Versteigerungserlös des Hausrats.
Auch Kurt Jacob scheint ab 1939/1940 in Berlin gewohnt und gearbeitet zu haben. Am 25. Mai 1940 heiratet er in Werder Frieda Grüneberg, geb. am 21.10.1919 in Krojanke / Westpreussen, von Beruf Stenotypistin. Er selbst hatte den Beruf des Schaufensterdekorateurs erlernt. Die Karteikarte des Oberfinanzpräsidenten weist als letzte Adresse eine gemeinsame Wohnung in der Lothringer Straße (heute Torstraße in Berlin Mitte / Prenzlauer Berg) aus. Frieda Jacob wird drei Tage vor ihrem Mann mit dem 31. Osttransport am 1.3.1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert. Kurt Jacob wird mit demselben Ziel am 4.3.1943 deportiert; beide werden offensichtlich kurz nach der Ankunft der Transporte ermordet. Die Deportationsdaten weisen darauf hin, dass Kurt und Frieda Jacob im Zuge der sog. » Fabrik-Aktion« verhaftet worden sind. Mit dieser Aktion wurden ab Ende Februar 1943 die im »Arbeitseinsatz« stehenden Juden, die man bislang verschont hatte, an ihren Arbeitsplätzen verhaftet und in umfangreichen Sammeltransporten nach Auschwitz deportiert.
Das letzte Zeugnis für die Anwesenheit Max Jacobs in Werder ist seine beglaubigte Unterschrift unter eine Löschungsbewilligung für eine Hypothek, die er am 9.4.1942 bei dem Notar Kasack in Werder leistet. In den Tagen darauf muss er in das Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße in Berlin gebracht worden sein, wo der »13. Osttransport« mit dem Ziel Getto Warschau zusammengestellt wurde, der Berlin am 14.4.verließ und am 16.4., sechs Uhr morgens, am »Umschlagplatz« in Warschau ankam. Mit diesem Transport, der insgesamt 938 Personen umfasste, wurden neben Juden aus Berlin und Sachsen–Anhalt auch 425 jüdische Bürger aus dem Regierungsbezirk Potsdam deportiert. Für diese hat sich jedoch keine namentliche Transportliste erhalten. Mit demselben Transport wurden aus Werder auch Edla Charlotte Rosenthal und Resi Salomon aus Glindow deportiert. Die Ankömmlinge wurden in Warschau im Gebäude der ehemaligen »Judaistischen Bibliothek« außerhalb des Gettos untergebracht.
Das letzte Lebenszeugnis von Max Jacob ist ein Schreiben, das er am 25.6.1942 an die Bank für Landwirtschaft, Filiale Werder richtet, wo er ein Konto besaß:
Max Israel Jacob, Warschau, Gartenstr. 27 I 5, Saal 8 Warschau, den 25.6.42
An Bank für Landwirtschaft A. G. Werder(Havel)
Seit dem 16. April befinde ich mich hier in einem Flüchtlingslager und kann bei den hiesigen sehr teuren Preisen ohne Mittel keine Lebensmittel kaufen. So bitte ich höfl. mir, natürlich unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen von meinem Guthaben Mk. 300.– in Zlotis zu überweisen. Sollte dieser Betrag nicht bewilligt werden, so bitte ich mir monatlich jeweilig den Betrag zu überweisen, der zulässig ist. Ich bin darauf angewiesen und sehe auch keine Möglichkeit, bei meinem Alter hier irgendeine Arbeit zu bekommen. Im Voraus bestens dankend zeichne gez. Max Israel Jacob
Dieses Schreiben löst eine Anfrage der Bank bei der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten aus, ob sie diesen Auftrag ausführen kann. Der Oberfinanzpräsident wird dadurch auf das Bankguthaben aufmerksam und beauftragt am 24.9.1942 die Bank, »das Guthaben nebst Zinsen an die Oberfinanzkasse Berlin […] zu überweisen«. Diese verbucht am 13.11.1942 den Eingang von RM 4057,79; es war der Rest des Geldes, das Max Jacob aus seinem Hausverkauf geblieben war.
Da die aus dem »Reich« seit dem 31.3.1942 in mehreren Transporten in das Getto »eingesiedelten« Juden zu den ersten gehörten, die nach dem 22. Juli mit dem Beginn der Räumung des Gettos, der sog. »Großen Aktion«, in das Vernichtungslager Treblinka transportiert wurden, ist auch Max Jacob offensichtlich gegen Ende Juli dort ermordet worden.
Max Jacob hatte drei Geschwister und zwei Halbgeschwister. Von den sechs Geschwistern haben nur seine Schwester Blanka und sein Bruder Julius die nationalsozialistische Verfolgung überlebt. Seine Schwester Blanka hat nur deshalb überlebt, weil sie zu den 1200 Personen gehörte, die durch Vermittlung aus der Schweiz freigekauft worden waren und am 8.2.1945 Theresienstadt verlassen konnten. Sein Bruder Leo, geb. am 16.5.1873 in Preussisch-Holland, hatte mit seiner Frau Rosa Jacob, geb. Paechter, geboren am 5.5.1883 in Crossen/Oder, in Berlin-Charlottenburg, Waitzstraße 6 gelebt. Bei ihnen hatte Käte Jacob während ihrer Zwangsarbeit bei Siemens gewohnt. Leo und Rosa Jacob wurden am 23.9.1942 mit dem 65. »Alterstransport« in das KZ Theresienstadt deportiert. Rosa Jacob verstarb dort bereits am 26.10.1942; Leo Jacob am 25.12.1942.
Seit Oktober 2014 liegen vor dem Haus Torstraße 3 zwei Stolpersteine für Kurt und Käte Jacob. Im Oktober 2023 wurden begleitet u.a. von einer Schulklasse der Carl von Ossietzky Schule zwei weitere Stolpersteine für Max und Hans Jacob gesetzt.
Quellen: BArch: Gedenkbuch […], R 1509 Ergänzungskarte VZ 1939; BLHA: Rep. 36 A (II), Sign. F 811, Nrr. 16663, 16692, 16703, Rep. 8 Stadt Werder, Nr. 1002: Gewerbeanträge 1938–1943, Ld. Br. Rep. 250 Landratsamt Zauch–Belzig Nr. 456, GB Werder, Bd. 56, Bl. 2508; Standesamt Werder: Biographische Auskünfte; SAW: Schadensliste vom 15.12.1938, Bauakte Torstr. 185; Gertraud Behrendt, Mit 34 in Auschwitz »verschollen«, in MAZ v. 30.7.1999; Schriftliche Auskunft Wolfgang Weißleder/ Potsdam v. 21.9.2012; Auskunft Jüdischer Friedhof Berlin–Weißensee v. 30.10.2012; A. Gottwaldt – D. Schulle, Die »Judendeportationen« aus dem Deutschen Reich 1941–1945, S. 193f. bzw. S. 400ff.; D. Czech, Kalendarium […], S. 382 bzw. S. 427; Im Warschauer Ghetto. Das Tagebuch des Adam Czerniaków 1939–1942, München 1986, S. 243; Yisrael Gutman, The Jews of Warsaw, 1939–1943, Ghetto, Underground, Revolt, Bloomington and Indianapolis 1989, S. 214; Frederick Weinstein, Aufzeichnungen aus dem Versteck. Erlebnisse eines polnischen Juden 1939–1946, Berlin 2006, S. 263ff. bzw. S. 480ff.
Wir sind Werder, 3.4.2023, Verloren und vergessen: „Warenhaus Emil Bergel“
Weitere Informationen zur Familie Nathan Jacob (Vater von Max Jacob) finden sich in dem 2019 im Eigenverlag erschienen Buch von Heinz Burghardt (Werder (Havel)): ‚Familie Nathan Jacob aus Preussisch Holland, Spuren vom sozialen Aufstieg einer Familie, von ihrer Ächtung, von der Vernichtung und vom Entkommen‘
(1) Im Gedenkbuch ‚Erinnern und Bewahren‘ finden sich leider falsche Angaben zu Biographie und Schicksal von Paula Jacob. Wir bitten dies zu entschuldigen.
(2) Standesamt Charlottenburg 3 Nr. 304/1915