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Gegen das Vergessen: Neun weitere Stolpersteine in Werder (Havel) verlegt

Auf Initiative des Aktionsbündnis Weltoffenes Werder in Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Werderaner Schulen sind am Montag in Werder neun Stolpersteine verlegt worden. Der Künstler Gunther Demnig, der das Projekt 1992 gestartet hat, setzte die Steine in die Gehwege ein. Erinnert wird mit diesen Gedenktafeln an das Schicksal der jüdischen Bewohner Hans und Max Jacob, Johanna Aron, Werner und Margarethe Fleck, Frieda Braun, Edla Charlotte Rosenthal, Emilie Asch und Ella Anna Leonhard, die in Werder lebten und von den Nationalsozialisten deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden.
Schülerinnen und Schüler der Carl von Ossietzky Schule, des Ernst-Haeckel-Gymnasiums, des Oberstufenzentrums und der Freien Waldorfschule Werder hatten sich zuvor intensiv mit den Schicksalen dieser Menschen beschäftigt und trugen ihre Lebens- und Leidensgeschichten vor.
„Die Stolpersteine sind ein Weckruf jeder Form von Antisemitismus und Rassismus in der heutigen Zeit entschieden entgegenzutreten.“,
so Robin Herz, Sprecher des Aktionsbündnis Weltoffenes Werder. „Besonders wichtig ist uns die Zusammenarbeit mit den Schulen, um die Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen gemeinsam mit den nachfolgenden Generationen wach zu halten.“

An der Verlegung nahmen auch Nachfahren der Familie Jacob und von Frieda Braun teil. So sagte Sue Johnson, die zur Verlegung der Stolpersteine für Hans und Max Jacob eigens aus England angereist war: „Mein Vater konnte nie über das sprechen, was passiert ist. Ich bin so dankbar, dass heute hier dem Schicksal meiner Familie gedacht wird.“

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Stadtverordnete und auch Bürgermeisterin Saß wohnten der Verlegung der Stolpersteine an insgesamt 7 Standorten in der Stadt teil.

Es besteht die Gefahr, dass sich Geschichte wiederholt. Der wachsende Antisemitismus in unserem Land, der grauenvolle Überfall der Hamas auf Israel, sagen uns, wir müssen viel lauter und energischer unsere Stimme erheben“ so Thomas Wisch, Vorsitzender des Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus.

Hintergrund:
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Diese kleinen Gedenktafeln im Boden erinnern an das Schicksal der Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert, vertrieben oder ermordet wurden. In Brandenburg sind bereits über 1100 Stolpersteine verlegt, europaweit sind es rund 100.000.
Die AG „Erinnern und Bewahren“ aus Werder hatte in jahrelanger Arbeit die Schicksale von über 100 Jüdinnen und Juden recherchiert und dokumentiert. Daraus entstand das Gedenkbuch „Jüdische Schicksale“ und die dazugehörige Webseite www.juedische-schicksale-werder.de
2014 wurden durch das Werderaner Bündnis KURAGE bereits 8 Stolpersteine verlegt. Am 9. Oktober 2023 kamen nun 9 weitere Stolpersteine hinzu.

Rad-Exkursion mit Schüler*innen des Oberstufenzentrums

zu Orten jüdischer Schicksale in Werder

Wie überall in Europa wurden auch in Werder jüdische Menschen von den Nazis auf furchtbare Weise erniedrigt, vertrieben und ermordet. Bei der Fahrrad-Exkursion vom Weltoffenen Werder mit Schüler*innen des Oberstufenzentrums am 8.9.22 besuchten wir einige der damaligen Lebensorte jüdischer Mitbürger*innen und haben von den Geschichten dieser Menschen erfahren.

Zum Beispiel von der Familie Knobloch, die ein Wochenendhaus in der Kemnitzer Straße und in Berlin zwei gut laufende Geschäfte hatte, was alles vom nationalsozialistischen Staat enteignet wurde, und die, nach ihrer Flucht nach England, mit Gelegenheitsarbeit ihr Leben fristen mussten.

Marie Dinkgrefe erzählt anhand des Buches zu jüdischen Schicksalen, dass hier in der Kemnitzerstr. Susanne Kuznitzky sich verstecken konnte und so den Krieg überlebte.

Zum Beispiel von Susanne Kuznitzky, die sich ihrer Deportation in die Vernichtungslager durch Abtauchen in die ‚Illegalität‘ entzog und in Werder in der Kemnitzer Str. von der Familie Mildner versteckt und unterstützt wurde und so das Kriegsende überlebte.

Zum Beispiel von Fritz Hartmann und seinen 5 Geschwistern, dessen Haus am Plessower See von Nazi-Banden während des November-Progrom 1938 verwüstert wird, während sich die Brüder, um ihr Lebend fürchtend, im Schilf des Plessower Sees versteckten. Nur einer der Geschwister konnte durch rechtzeitige Flucht die Nazi-Zeit überleben.

Zum Beispiel von Edla Charlotte Rosenthal, eine bekannte Künstlerin, die mit ihrer Freundin am Hohen Weg unter zunehmend bedrängter werdenden Umständen lebte, bis sie 1942 deportiert und in Treblinka ermordet wurde.

Insgesamt wurden bei dieser 2-stündigen Exkursion neun Lebensorte von jüdischen Menschen in Werder besucht. Grundlage der Information war das Gedenkbuch ‚Jüdische Schicksale‘, das 2016 erschienen ist und in dem Historiker der AG Erinnern und Bewahren das Schicksal von 133 jüdischen Einwohner*innen in Werder dokumentiert haben. Diese können auch im Internet auf der Seite www.juedische-schicksale-werder.de nachgelesen werden.

Mit großem Interesse folgten die 18 Schüler*innen der Abiturklasse des Fachbereich Pädagogik den Lebens- und Leidensgeschichten, die von Marie Dinkgrefe und Jan Stehn vom Aktionsbündnis Weltoffenes Werder vorgetragen wurden. Begleitet und mit auf den Weg gebracht hatte die Schulsozialarbeiterin Anne-Juliane Müller und die Lehrerinnen Katja Woltersdorf und Louisa-Maria Fecke dieses zusätzliche Schulangebot.

Im Abschlussgespräch diskutierten die Schüler*innen die Frage, ob ähnliches auch heute wieder passieren könnte: Wir stellten fest, dass Diskriminierung und Hass auf Minderheiten leider nach wie vor eine Gefahr ist. Die Schüler*innen führten aus ihrem Bekanntenkreis Beispiele dafür an, dass auch gut ausgebildete Menschen, die vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland geflohen sind, es schwer haben, dass ihre Qualifikation hier anerkannt wird.

Gedenken an die Opfer des Holocaust in Werder am 27.1.20

Am 27. Januar vor 75 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz durch sowjetische Soldaten befreit. Das Aktionsbündnis „Weltoffenes Werder“ bereitet gemeinsam mit vielen weiteren Organisationen, Parteien und Personen aus diesem Anlass in Werder ein würdiges Gedenken vor.
Im Oktober 2014 verlegte der Bildhauer Gunter Demnig in Werder an vier Plätzen acht Stolpersteine. Sie erinnern an individuelle Lebens- und Leidenswege von Menschen, die in Zeiten der Nazi-Herrschaft aufgrund ihrer Religion, „Rasse“, Herkunft, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung ihres Lebens beraubt wurden.
Für einige der Opfer aus Werder führte der Leidensweg nach Auschwitz in das Vernichtungslager.
An diesen Stolpersteinen wollen wir am 27. Januar 2020, 75 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz, dieser Opfer gedenken und daran erinnern, wozu Hass, Ausgrenzung und Rassismus schon einmal in unserem Land geführt haben. Es soll uns Mahnung sein, allen Anzeichen einer Wiederholung entgegenzutreten und denen, die verharmlosen und beschönigen, keinen Raum zu lassen.
Dazu gibt es am 27. Januar 2020 Gedenken an den Stolpersteinen
– Um 9.30 Uhr in Glindow vor Klaistower Straße 68
– um 10.30 Uhr in Werder in der Torstraße 3 (vor Cafe Jakob)
– um 12.30 Uhr Im Anschluss daran wird im Kino Scala der Film „Shoah von Claude Lanzmann in Auszügen gezeigt, erläutert von Hartmut Röhn vom Arbeitskreis Jüdische Schicksale.
– Um 15.30 Uhr werden wir uns dem Gedenken anschließen, das am Mahnmal der „Opfer des Faschismus“ und an dem für die gefallenen sowjetischen Soldaten auf dem Friedhof in der Kemnitzerstraße in Werder stattfindet.

Voraussichtlich können wir einen Nachfahren eines der Opfer, Herrn Olschowski, dessen Familie bis 1938 in der Brandenburger Straße 20 wohnte, begrüßen.
In der Torstraße werden neben anderen Frau Bürgermeisterin Saß, Frau Pfarrerin Paetel und Herr Thiele für die „Gruppe Stolpersteine“ sprechen, in Glindow der Ortsvorsteher Herr Wilhelm
Die musikalische Umrahmung bringen Schülerinnen und Lehrerinnen der Waldorfschule Werder dar.

5.9. Inselrundgang – Jüdische Verfolgtenschicksale in der NS-Zeit

Die Arbeitsgruppe “Erinnern und Bewahren – Werderaner Verfolgtenschicksale in der NS-Zeit” wird im Rahmen der “Aktionswoche für ein weltoffenes Werder” einen Rundgang über die Werderinsel anbieten, der zu den Wohnungen und Häusern ehemaliger jüdischer Einwohner führt (Am Mühlenberg, Marktplatz, Torstraße). Erinnert wird dabei an die Schicksale von Menschen, die zwischen 1920 und 1943 in der Inselstadt lebten und während der Naziherrschaft in die Emigration oder in den Tod getrieben wurden.

Termin: Mittwoch, 5. 9. 2018, 19 Uhr, Dauer ca. 1 ½ h
Treffpunkt: Stadtplan vor der Inselbrücke

Hinweisen möchten wir darauf, dass im Scala  vor unserem Rundgang am 5.9. um 17 Uhr der sehenswerte Dokumentarfilm ‚Lebenszeichen – Judischsein in Berlin‚ im Rahmen der Filmwoche „WELToffen“ gezeigt wird.

Das ehemalige Kaufhaus Jacob, Torstraße 185, heute Nr. 3: „Café Jacob“.

Besuch von Frau Dorothy Graff und Herrn Felix Wyss aus Melbourne (30.6.2017)

Ein Gruppenbild vor dem Cafe Jacob auf der Inselstadt, aufgenommen am 30. Juni diesen Jahres: in der Mitte ein älteres Paar, möglicherweise auf Urlaub. Aber warum gerät den Herren und der Dame, die das Paar einrahmen, das Lächeln auf den Mienen so, als wüssten sie nicht Recht, ob Lächeln am Platze sei ?

Die Szene zeigt den Besuch von Frau Dorothy Graff und Herrn Felix Wyss aus Melbourne (Australien). Sie waren zu Gast bei der Werderaner Gruppe „Erinnern und Bewahren“, die letztes Jahr das Gedenkbuch „Jüdische Schicksale“ für Werder herausgegeben hatte. Darin ist auch das Schicksal der Familie Max Jacob dokumentiert.

Max Jacob hatte im Gebäude des heutigen Cafe Jacob sein Kaufhaus betrieben, bis sein Ladengeschäft beim Novemberpogrom 1938 verwüstet wurde und er das Geschäft aufgeben musste. Max Jacob wurde im Zuge der Shoa umgebracht, wie seine drei Kinder Käthe, Hans und Kurt, sowie vier seiner Geschwister, – Leo, Julius, Sali und Rosa.

Einzig Blanca Graff, eine Schwester von Max Jacob, hat die Verfolgung überlebt. Sie war mit ihrem Mann Benno Graff 1943 von Berlin in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden. Benno Graff ist dort im Herbst 1944 verhungert. Blanca Graff konnte im Februar 1945
Theresienstadt mit dem Zug in Richtung Schweiz verlassen. Diese Aktion war von der Union Orthodoxer Rabbiner in den USA und Kanada über einen Schweizer Vermittler mit Heinrich Himmler ausgehandelt worden. Sie stand in Zusammenhang mit dem Versuch der SS, unmittelbar vor der Niederlage des faschistischen Deutschland für die Freilassung der noch im deutschen Machtbereich lebenden Juden Lösegeld zu erpressen.

Dorothy Graff ist die Enkelin von Blanca Graff, also eine Großnichte von Max Jacob. Ihre Eltern konnten im Februar 1939 nach Australien auswandern. Eine wahrhaft denkwürdige Begegnung also, für deren Zustandekommen die Gäste wie die Gastgeber ihren Dank ausgesprochen haben; sie war für beide Seiten eine Freude.

Heinz Burghardt
9.7.17